Alljährlich zeigt das artspring filmfestival unterschiedliche künstlerische Positionen der Film- und Videoschaffenden und stellt sie zur Diskussion. Auch in diesem Jahr sind wir im Kino der Brotfabrik zu Gast: Am 12., 13. und 14. Mai, jeweils ab 18 Uhr und mit anschließenden Live-Talks. Wir empfehlen die kostenlosen Tickets direkt beim Kino zu buchen, Restkarten gibt es an der Abendkasse. Das Thema lautet: [ˈapɡəˌfakt ] – something is broken here.
Friedenskrise, Klimakrise, Energiekrise, Inflation, Rechtsruck und Entdemokratisierung. Alles verändert sich im Rekordtempo, der Druck nimmt zu, die Möglichkeiten schwinden. Wir stehen dazwischen und fragen uns: Ist das noch zu reparieren oder ist es bereits zerbrochen? Sich weiter zum Protest aufraffen? Warum eigentlich? Haben wir überhaupt noch Handlungsmacht? Ja – wir sind müde, erschöpft, ausgebrannt und fühlen uns ohnmächtig. Und nein – wir geben nicht auf. Denn wir sind, um es mit den Worten der Dokumentarfilmerin Helga Reidemeister zu sagen, dem Prinzip Hoffnung verpflichtet. Aber wir machen auch nicht einfach so weiter. Wir tun nicht so, als könnten wir auf dieser brüchigen Grundlage noch stehen. Wir tun nicht so, als könnten wir es immer noch kitten. Wir sind nicht einfach nur [ˈapɡəˌfakt ] und irgendwie trotzdem da.
Das diesjährige Programm der artspring-Filmreihe lässt [ˈapɡəˌfakt ] daher nicht nur eine Zustandsbeschreibung sein, sondern antwortet darauf – eindringlich, bildgewaltig und vor allem widersprüchlich. Es nutzt die Unmittelbarkeit der Erfahrung im Kino, um die Grenzen verschwimmen zu lassen und sich der reinen Verteidigung des Status Quo zu entziehen. Es lässt das Kino zur Arena für Widersprüche werden, ohne dass diese aufgelöst werden müssen. Denn hier gibt es kein pauschales Richtig oder Falsch, keine vorgefertigten Antworten. Hier können wir von der Welt in ihrer ganzen Versehrtheit und desolaten Zukunft erzählen, aber auch von ihrer grausamen Schönheit. Hier können wir zeigen, was nicht mehr da ist. Hier können wir Tabus brechen und Unausgesprochenes verdeutlichen. Hier können wir uns in Widerspruch zum Bestehenden setzen und uns an diesem Widerspruch abarbeiten, ohne ihn auflösen zu müssen. Hier können wir Filmkunst zum Maßstab für Demokratiebewusstsein werden lassen, zum Ort der Demokratie – gerade jetzt, wo die Kunst in ihrer Existenz bedroht ist.
Mit insgesamt drei Screenings bietet das Programm viele Ansatzpunkte, sich ein Bild davon zu machen, was geschieht und geschehen ist. Es geht jedoch weniger um das Reproduzieren von Ereignissen, als darum, die beunruhigende Wirklichkeit zu dokumentieren und das zu erkunden, was war, was sein könnte und sein müsste. Die Filme spielen auf unterschiedliche Art mit Genregrenzen und nutzen die Vielfalt kinematografischer Formen, Mittel und Erzählweisen, um in einer sich stets wandelnden Welt die eigene Geschichte erzählen zu können. Menschen nähern sich an und entfernen sich wieder. Als Zeugen bleiben Bilder, Töne und ein Schlussbild, das ein Fragezeichen sein darf.
Konzept: Dirk Sorge // 2024 // 9:15 min. // deutsch/chinesisch mit engl. UT
Wie müsste eine KI trainiert werden, die nicht nur als Software, sondern in der physischen, analogen Welt existiert? Das Video wurde in Peking auf 20 Jahre alten Mini-DV-Bändern aufgenommen. Dies und die Mechanik des Camcorders beeinflussen die Ästhetik der Arbeit.
Regie: Kuesti Fraun // 2022 // 3 min. // deutsch
In einem neoklassizistischen Schloss im Nordosten Berlins werden die Geister der Geschichte durch eine afro-karibische Gebetszeremonie beschworen. Einst verkauft aus Groß Friedrichsburg an der Goldküste, führen uns die Geister durch die Säle des Schlosses Friedrichsfelde, das zum Teil mit den Einnahmen aus ihrer Versklavung erbaut wurde.
The time of a life
Regie: Nicole Jachmann // 2024 // 2:15 min. // niederländisch mit engl. UT
Each of us lives life at our own pace and experiences the time that is given to us differently. The same minute on the clock may crawl by for some, yet for others it flies by. This documentary shows four people who experience time differently because of something that happened in their lives.
Regie: Daniela Lucato // 2023 // 15:00 min. // italienisch mit engl. UT
Luz is a survivor of the Pinochet regime. Forty years after she left Chile, in a kind of diary, Luz imagines telling her mother the things she didn›t want to know.
Konzept/Regie: Ich liebe dich Studio // 2022 // 2:58 min. // ohne Sprache
Gedanken werden zum ersten Mal laut ausgesprochen, Essen wird berührt, als wäre es der Körper des Liebhabers oder der Liebhaberin – anfangs sanft, mit der Zeit immer heftiger. Ein Video über die Phase zwischen Kennenlernen und Bindung, über Selbstliebe und Selbstbestimmtheit, gedreht in einer Küche. Eine Geschichte über unerfüllte Erwartungen, die zu einer Geschichte über das Schicksal einer ganzen Generation wird.
Regie: Andrea Grambow, Joscha Kirchknopf // 2023 // 13:50 min. // englisch mit engl. UT
An unknown entity, discovers the human world in a nocturnal car ride through Los Angeles, observing people at the side of the street and listening to their stories
Regie: Nina E. Schönefeld // 2019 // 3:49 min. // englisch
For revenge to exist, there must be a prior perception of victimhood. The scale of which is determined by the protagonist, but the roles can quickly be flipped. The chain of vengeance can go on and on and, unless broken, lead to ever escalating calamity. Art is the only possibility to erase revenge.
Regie: Aida Zarifian // 2025 // 1:41 min. // englisch mit engl. UT
Der Blick auf die Fenster eines Zimmers im Nordkaukasus wird getrübt von zunehmenden Sehunschärfen. Neben dem physischen Verlust der Sehkraft aus einer sehr persönlichen Perspektive, verweist der Experimentalfilm subtil auf die Wandlung der geopolitischen Verhältnisse in der Region nach Ende des Kalten Krieges.
Regie: Tom Schlansky // 2024 // 7:29 min. // deutsch mit engl. UT
Drei Jahrzehnte hat Ralph Wels seine Vision eines rekonstruierten Schlossparks umgesetzt – von der DDR über den Trubel der Wendejahre bis in die Neuzeit. Trotz leerer Kassen und gegen viele Widerstände gelang es ihm den kleinen UNESCO-Schlosspark in Dessau-Mosigkau entscheidend zu gestalten. Ein Beweis dafür, wie viel ein Einzelner mit Überzeugung und Tatkraft bewegen kann.
Regie: Lisa Marie Schmitt, Alexandru Mihai Budeș // 2021 // 43:44 min. // rumänisch mit engl. UT
„30 Years of Optimism” verwebt das erste Michael Jackson Konzert nach der Revolution in Rumänien mit der Geschichte von Florian Istrate, einem Porzellanhersteller aus Transsilvanien, der in den 90er-Jahren den Großauf trag erhielt, 100.000 Figu ren des King of Pop herzustellen.
Konzept: Matthias Daenschel, Musik: Trio Lézard // 2025 // 3 min. // ohne Sprache
Eine Riesenechse macht Paris unsicher, doch das Trio Lézard macht sich auf die Jagd sie wieder einzufangen. Ein animiertes Musikvideo zu einem Tango von Igor Strawinsky im Setting der 1920er Jahre in Paris.
Regie: Janna Heiß, Sound: Behrooz Moosavi // 2024 // 13:34 min. // deutsch/farsi mit engl. UT
Der Film beleuchtet den Verlust von Zugehörigkeit durch Migration, Rechtsruck und Spaltung und zeigt, wie diese Entwicklungen Beziehungen belasten und Zukunftspläne erschweren. Ein persönlicher Blick auf Entfremdung und die Suche nach einem gemeinsamen Zuhause.
Regie: Jeanna Kolesova, Sound: Alina Anufrienko // 2023 // 15:35 min. // russisch mit engl. und dt. UT
Navigating between documentary and fiction, reality and imagination, collective and personal memory, the film explores how the collective memory of World War II has been manipulated to shape national narratives in Russia. In recalling past events, can we find a way to break free from nationalist narratives?
Regie: Joanna Maxellon // 2025 // 4:10 min. // deutsch
Mitten in einem Atombunker aus der BRD/DDR Ära sucht eine junge Frau nach Antworten und Schutz vor Bedrohung. Gefangen in einer Vorstellung von Sicherheit und scheinbarer Freiheit, versucht sie dem Grauen eines bevorstehenden Krieges zu entkommen.
Konzept/Regie: Yuri Yefanov // 2024 // 16:29 min. // ukrainisch, mit engl. UT
Der Film, der in einer Spielsimulation gedreht wurde, konzentriert sich auf den Gegensatz zwischen Kultur und Natur und auf die Möglichkeiten, mit veralteten Mechanismen der Umweltausbeutung umzugehen. Eine Utopie über eine Nachkriegsstadt, die ein Rekultivierungsprogramm startet.