Positionen aus den Ateliers des Stadtbezirks – Ausstellung im Verwalterhaus Vernissage: Sonntag, 15. Mai um 12 Uhr

Übergänge:

Das Verwalterhaus auf dem St. Nicolai- und St. Marienfriedhof ist ein Kleinod, wie es das eigentlich nicht mehr gibt in Berlin und in Pankow. Das Haus mit der eindrücklichen Adresse Prenzlauer Allee 1 ist ebenso zentral gelegen wie morbide verwunschen. Für drei Wochen füllen wir es mit ortsbezogenen Installationen von Kunstschaffenden des  Stadtbezirks Pankow.

Das kleine Haus auf dem Friedhof ist ein Ort wie ein Zwischenreich – zwischen dem Leben, das hier stattgefunden hat, dem, welches hinter dem Zaun tobt und der Vergänglichkeit, die sich wie ein Garten um das Gebäude schmiegt. Die Ausstellung legt einen Lebensfaden durch das Gebäude, der zu einem gemalten Portal führt. 13 Positionen zeigen Stationen, Fragen und auch Ungeheuerlichkeiten des Lebens.

Es beginnt, wie es endet: mit einem Übergang. Paola Telesca verarbeitet in „Aktenzeichen O-0372-550 90 91“ ihre eigene Geschichte eine Fluchthilfe: „Die Stasi hat ein ganzes Land bewacht und Akten über jeden gesammelt. Diese Akte ist eine davon. Sie erzählt von der Flucht, aber auch von einer Freundschaft, die entstanden ist und nie verloren gehen kann.“

Daniela Frombergs Arbeit „ètant donnés: Le chateau noir“ entstand in einem mehrwöchigen Prozess während einer artist residency, in deren Nähe ein ausgebranntes Schloss steht. Bei Wanderungen in der Schlossruine, die sich die Natur bereits wieder zurückerobert hat, und der Umgebung entwickelte sich die erzählerische Fotoreihe, deren zentrales Motiv ein re-enactment von Marcel Duchamps “Étant donnés” aus umgekehrtem Blickwinkel ist.

Seit 2015 fotografiert Barbara Dietl internationale Künstler:innen vor immer gleichem Hintergrund im Garten des DOCK 11/EDEN. Mittlerweile sind 74 Portraits entstanden, in deren Vordergrund sich die Essenz jedes Einzelnen entfaltet. 74 Bilder der Stille vor einem gemeinsamen Hintergrund, der die Verbindung des Seins unterstreicht. Wir zeigen die Auswahl einiger Arbeiten aus dem Projekt „share“. Der Moment des Innehaltens lädt die Betrachter:innen ein, sich als Teil einer unendlichen Gemeinschaft zu sein.

Ein Film von Sean Smuda wurde in einem Mitternachtszug in Lappland aufgenommen. Die Funken der Lokomotive beleuchten die nördlichen Wälder in verschiedenen Farben. Die geflüsterte Erzählung in englischer Sprache berichtet von der Begleitung eines Freundes zurück in die Heimat seiner Kindheit und von der Unmöglichkeit, dort wirklich anzukommen.

In der Tradition der Blumenstilleben steht Soji Shimizus ‘flower painting practice‘ (Blumenmalerei-Praxis). Seine Bilder konzentrierten sich jedoch mehr auf den Lärm um die Blumen und Vasen als auf die Blumen und Vasen und damit eher auf den Tod als auf das Leben.

Die Gemälde von Malte Olbertz, „Heroine“ und „A Bigger Party“, nehmen den Eklektizismus des 19. Jahrhunderts auf, in dem das Verwalterhaus und St. Nicolai- und St. Marienfriedhof angelegt wurden. Die ambivalente Maskerade des Motivs dekonstruiert den Mythos des Helden und ersetzt ihn durch den Hangover des selbsttrunkenen Partygirls.

In der Filminstallation „SLEEP“ von Sharon Paz spiegelt sich ebenfalls der Begriff des Heldentums: Das Werk basiert auf einer Kurzgeschichte von Isolde Kurz, die 1907 veröffentlicht wurde und sich auf den Ersten Weltkrieg bezieht. Das Video enthält dokumentarische Aufnahmen von einer Beerdigungszeremonie für 71 unbekannte Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg.

Stefan Roigks Arbeit „Walkman“ (2002) spielt eine, frei nach dem Frankfurter-Schule-Philosophen Theodor W. Adorno, „negative Dialektik von interaktiver Funktion und dessen Verweigerung“ durch. Ein fahrbares Metallgestell, überzogen mit blauen PVC-Folie und mit zwei luftigen Behältern behängt, erinnert auf dem ersten Blick an einen Wagen, wie er etwa in Krankenhäusern genutzt wird. Der  „Walkman“ lässt manipulierte Kraftfahrzeuggeräusche erklingen, negiert aber jegliche Funktion.

In dem altarartigen Werk von Sabina Zentek geht es um die Darstellung des Mythos des heiligen Grals im Zusammenhang mit verschiedenen Arten der Liebe. Agape, Eros und Philia sind die drei Arten von Liebe, die in der griechischen Philosophie thematisiert werden.

Mit im Raum befindet sich eine Doppelbank: „Confessional“ von Viviana Druga und Tiberiu Bleoancă soll von den Besuchenden auch benutzt werden: Rücken an Rücken ist die Beichte hier eine offene und gegenseitige Angelegenheit.

An der letzten Wand der Ausstellung öffnen sich Kreise: Das Bild von Bettina Weiß ist Teil einer Serie verschiedener Formate, in denen sie sich formal und inhaltlich mit dem Topos Transition und Übergang orientiert hat.

Verlassen wir das Haus also auf dem spirituellen Weg – oder doch lieber durch die Hintertür. Dann kommen wir an der Arbeit von Markus Willeke vorbei – der Regenbogen ist physikalisches Naturschauspiel als auch ein Symbol für Frieden, Gleichheit und Toleranz und für die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Die Zeichnung entsteht durch die Einbeziehung des Zufalls und unter Einwirkung von digitalen Störfaktoren.

Im Gehen finden sich noch zwei Büsten aus Ton von Viola Schmitt. Sie sind nicht gebrannt, sodass sie nicht witterungsbeständig sind. Durch Regen, Wind, Temperaturschwankungen verändert sich das Material und die Büsten beginnen allmählich sich zu verwandeln. Ihre Oberfläche und Bemalung, schließlich auch ihre Form beginnt sich aufzulösen. Irgendwann zerfallen sie gänzlich.

Verwalterhaus / Kulturkapellen
Prenzlauer Allee 1

Vernissage: Sonntag, 15. Mai um 12 Uhr

Ausstellung bis 5. Juni, Mi-So 15 bis 19 Uhr

Mit Arbeiten von Barbara Dietl, Viviana Druga & Tiberiu Bleoancă, Daniela Fromberg, Malte Hagen Olbertz, Sharon Paz, Stefan Roigk, Viola Schmitt, Soji Shimizu, Sean Smuda, Paola Telesca, Markus Willeke, Bettina Weiß und Sabina  Zentek
Kuriert von Julia Brodauf und Jan Gottschalk

 

 

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