Filmfestival artspringnale »Der Mythos ist hin«

Was ist die artspringnale?

Die artspringnale – das Filmfestival von artspring berlin – zeigt alljährlich unterschiedliche künstlerische Positionen der Film- und Videoschaffenden des Bezirks und stellt sie zur Diskussion. Nach zwei Jahren Pandemie freuen wir uns nun endlich auf die Rückkehr in den öffentlichen Raum, auf die persönlichen Begegnungen, das gemeinsame Erlebnis und den Austausch. Und doch bleibt auch 2022 alles anders. Die Pandemie und die Erfahrung der Fragilität hinterlassen ihre Spuren. Wir leben in einer Zeit, die reich an Dynamiken ist. Ob Corona- oder Klimakrise, erstarkender Rechtspopulismus, Ost/West-Konflikt und Krieg – nahezu täglich stellen sich neue Herausforderungen, bei deren Beantwortung die Gesellschaft zerrissen scheint.

Link zur Seite mit dem ausführlichen Programm


Der Mythos ist hin.

Eine Behauptung, eine Fragestellung und eine Aufforderung, die aktueller nicht sein könnte. Denn im Ringen um den gesellschaftlichen Zusammenhalt gewinnen Fragen nach Vereinendem, nach sinnstiftenden Erzählungen und Deutungen an Gewicht – Chance und potenzielle Gefahr zugleich.
Der Mythos ist hin. Ist er das? Und welcher Mythos eigentlich? Der des Künstlers, der Künstlerin oder der des Filmemachens? Der Freiraum für das Abbilden von Fiktion und das Erschaffen neuer, eigener Realitäten, aufgerieben zwischen Systemrelevanz und Prekariat? Oder der Mythos des Prenzlauer Bergs als Chiffre für ein bestimmtes Lebensgefühl? Der Mythos eines Bezirks der Unangepassten, von Unordnung und Subversion, von Solidarität und Widerstand und von der unreglementierten Wendezeit, als alles möglich schien? Ein Mythos, der verloren scheint und doch in den Erinnerungen weiterlebt. Ein Mythos, der zu einem Korrektiv geworden ist, durch das das Viertel heute bewertet wird. Ein Mythos als überzeitliche Projektionsfläche für Wünsche, Hoffnungen und Utopien.

Wo stehen wir und woran glauben wir?

Was ist richtig und was ist falsch? Welche Geschichten und Bilder berühren die Menschen, vermitteln zwischen den Gegensätzen und schaffen Übergänge? Kann darin Integrationskraft liegen? Oder müssen wir die Komplexität erhöhen, alte Mythen dekonstruieren und neue erschaffen? Wie verhandeln verschiedene Generationen die Vergangenheit und wie lassen sich Erinnerungen pluralisieren? Was bedeutet das für uns, unsere Gegenwart und Zukunft?

Fragen, mit denen wir zur Einsendung von Film- und Videobeiträgen für das Filmfestival aufgerufen haben, die den Begriff des Mythos aus so vielen Perspektiven wie nur möglich erkunden. Die Einreichungen und die daraus kuratierten Programme zeichnen das Bild einer fragmentierten, brüchigen und fragilen Gegenwart. Wir sehen innerlich zerrissene Held:innen, blicken auf blinde Flecken, in denen (scheinbar) etablierte Normen und Werte verschwimmen und müssen uns letztendlich selbst fragen,wo wir die Grenzen zwischen Wahrheit, Fiktion und Gerechtigkeit ziehen. Denn Mythen dienen nicht nur dazu, eine bestehende gesellschaftliche Ordnung zu begründen und zu legitimieren. Sie können sie auch in Frage stellen und die Notwendigkeit von Umbruch und Erneuerung themati­sieren.

Insgesamt vier Screenings

Mit insgesamt vier Screenings bewegt sich das Programm des Filmfestivals in eben jenem Spannungsverhältnis. Der Auftakt am 13. Mai wirft einen Blick auf das aktuelle Kriegsgeschehen in der Ukraine, stellt Fragen nach dem ›Davor‹ und dem potenziellen ›Danach‹. Das folgende Screening am 20. Mai richtet den Fokus auf gesellschaftliche Aneignungs- und Aushandlungsprozesse, hinterfragt den Umgang mit Ausgrenzung und Teilhabe und sucht nach Orientierungspunkten für Weiterentwicklung. Das Screening am 27. Mai widmet sich der Notwendigkeit von Aufarbeitung der jüngeren deutsch-deutschen Geschichte und rückt deren Bedeutung für die nachfolgenden Generationen ins Zentrum. Das finale Screening am 3. Juni offenbart schließlich die Transformation und den Verlust von Bedeutung auf der einen und die Suche nach einem angemessenen Rahmen für das, was wir als Wahrheit und Gerechtigkeit ansehen, auf der anderen Seite. Alle Screenings im Filmfestival werden durch anschließende Live-Talks mit den Filmschaffenden begleitet.

Antje Materna

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